Im Rahmen des interdisziplinären Projekts haben im Schuljahr 2022/2023 vier Schulen neue Ansätze zur Förderung von Partizipation im Rahmen einer BNE und von Bewegung in Verbindung mit dem Schulgarten erprobt.
Schulhausareale und -gärten erweitern den Lebens-, Lern- und Bewegungsraum von Schüler:innen und spielen eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit den Zielabsichten einer Nachhaltigen Entwicklung sowie im Besonderen der gesundheitsförderlichen Ausrichtung und der Förderung von Partizipationserfahrungen im Sinne einer BNE (vgl. dazu Lehrplan 21).
Inwieweit der zielgerichtete Einbezug von Schulhausarealen und -gärten in Bildungskonzepten der Schulen einen Einfluss auf das Bewegungsverhalten von Schülerinnen und Schüler hat, war eine der zentralen Frage des Laborversuchs. Hierbei wird von einem breiten Verständnis von Bewegung ausgegangen, bei dem gartenbezogene Tätigkeiten als instrumentelle sowie als motivationale Aspekte betrachtet werden.
Die zweite zentrale Fragestellung war, wie an Schulen und in Quartieren bzw. Gemeinden mit der Ermöglichung von Partizipationserfahrungen bei Schüler:innen gemeinsam das Schulhausareal als Lern- und Bewegungsort für Nachhaltige Entwicklung gestaltet werden kann.
Der Laborversuch «Schulgarten» hat in einem dreistufigen Verfahren erarbeitet, wie eine Primarschule das Areal zu einem Lern- und Bewegungsort in Verbindung zu den Natur- und Grünflächen entwickeln kann und welche physischen Aktivitäten auf diesem stattfinden können.
In einem ersten Schritt arbeitete die Projektleitung mit Mitgliedern der fachlichen Begleitgruppe aus den Bereichen Bewegung/Sport, Gesundheit, Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE), Gartenbau und Landwirtschaft im Rahmen des Denkart-Workshops mehrere Prototypen einer Schulhausumgebung mit gartenbezogenen und unterrichtsverbindenden Tätigkeiten und ein fachlich fundiertes und praxisnahes Umsetzungskonzept aus.
Diese Resultate bildeten dann als zweiter Schritt die Grundlage für den partizipativen Entwicklungs- und Planungsprozess in den vier Schulen mit dem Schulteam sowie Akteur:innen und Personen aus der Gemeinde. Jede Schule erarbeitete mit Schlüsselpersonen aus der Gemeindeverwaltung sowie interessierten, fachkundigen Personen aus der Bevölkerung einen Schulgarten- und Schulhausareal-Gestaltungsplan.
Im Schulteam wurden als dritter Schritt an 1-4 Planungssitzungen das Bildungs- und Umsetzungskonzept ausgearbeitet. Darin wurde festgelegt, welche Klassenstufen welche gartenbezogenen Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten im Garten, resp. auf dem Schulareal übernehmen und welche Lerninhalte sie damit im Unterricht verknüpfen. Die praktische Umsetzung fand in den Schulen 1,2 und 4 in zwei Phasen von September bis November 2022 und März bis Juli 2023 statt – in der Schule 3 nur in einer Phase Frühjahr/Sommer 2023. Dabei wurden ausserschulische Personen einbezogen.
Im Rahmen der Entwicklung des Wirkmodells konnten diese Fragen weiterentwickelt und fokussiert werden. Im Rahmen der Evaluation standen deshalb die folgenden Aspekte im Vordergrund.
(1) Das Schulhausteam und die Schüler:innen haben das Schulareals partizipativ mitgestaltet.
(2) Das Schulareal ermöglicht in Kombination mit dem Bildungskonzept für die Schüler:innen mehr, vielfältigere und sinnstiftende Bewegungen.
(3) Beim Schulareal werden mehr und vielfältigere Bewegungsmöglichkeiten genutzt.
Der Laborversuch «Schulgarten» wurde im Rahmen des Innovationslabors lab7x1 vom Bundesamt für Sport durchgeführt und finanziert.
Das Potential für Bewegung und Partizipation auf dem Schulhausareal in Verbindung mit einem Schulgarten ist da und sichtbar, konnte aber nur teilweise ausgeschöpft werden. Viele gartenunerfahrene Lehrpersonen mussten zuerst an den gartenpraktischen und -organisatorischen Fähigkeiten arbeiten und so sind andere Bereiche zu kurz gekommen. Die Ergebnisse der Evaluation zeigen aber, dass aus Sicht der Beteiligten mehr möglich gewesen wäre.
Das Projektteam war mit einer hohen allgemeinen Belastung bei den Schulteams konfrontiert. Das Projekt war eines von vielen innerhalb des Schuljahres. Dies führte dazu, dass für gewisse geplante Angebote wie Workshops mit Akteuren der Schule und Gemeinde und Planungstreffen mit dem Schulteam in teils kürzeren Zeiträumen stattfinden mussten. Die hohe Arbeitsbelastung ist ein Faktor, welcher aktuell in den meisten Schulen Realität ist und sich nicht beeinflussen lässt.
Alle Standortleitungen der vier Schulen zeigen sich zufrieden mit der Begleitung durch das Projektteam und der Umsetzung. Der Projektumfang mit den hoch gesteckten Zielen waren für die Schulen herausfordernd und für den Einstieg mit einer Neuanlegung eines Schulgartens mit einem hohen Anteil gartenunerfahrene Lehrpersonen anspruchsvoll.
Der Ansatz mit der Erarbeitung eines Bildungs- und Umsetzungskonzept war erfolgreich und trägt zur längerfristigen Einbindung aller Klassen und Stufen in die gartenpraktischen Tätigkeiten und auf die Stufen abgestimmte Unterrichtseinbindung bei.
Im Projektteam wird die Einschätzung geteilt, dass auf die Erfahrungen des ersten Umsetzungsjahrs aufgebaut werden kann. Der Einbezug von bewegungsfördernden Aspekten und von Partizipationsmöglichkeiten kann fokussierter angegangen werden. Diese Einschätzung wird auch von den Standortleitenden geteilt.
Durch die Wahl von vier Schulen mit einem individuell erarbeiteten Bildungs- und Umsetzungskonzepts entstanden je eigenständige und vielfältige Umsetzungen. Der längerfristig angelegte Nutzen des Bildungskonzept überzeugte in den Schulen die Mehrheit der Lehrpersonen, was sich in der grossen Beteiligung von Lehrpersonen und Klassen am Laborversuch zeigt. Das Bildungskonzept hat den Lehrpersonen Leitlinie und Struktur gegeben und zählt für das Projektteam zu einer zentralen Gelingensbedingung. Das Team hat dadurch die anfallenden Tätigkeiten in unterschiedlichen Bereichen wie Garten, Kompost, Pflege und Unterhalt von Hecken oder Wiesen auf dem Schulareal entsprechend auf die Klassenstufen von Kindergarten bis 6. Klasse verteilt und diese mit Unterrichtsinhalten aus dem Lehrplan verknüpft, so dass Kooperationen sichtbar wurden und der Beitrag jeder Klasse für das Ganze als sinnstiftend empfunden wird. Bei grösseren Schulen mit mehreren Klassen auf der gleichen Klassenstufe wurde von den Lehrpersonen als erfreulicher Aspekt geäussert, dass so die anfallende Arbeit unter den verschiedenen Klassen aufgeteilt werden konnte.
Mit dem Laborversuch Schulgarten konnte aufgezeigt werden, welcher Mehrwert im Aufbau und in der Umsetzung von naturnahen und bewegungsfördernden Schulhausarealen mit Gärten durch den Einbezug von ausserschulischen Personen entstehen kann.
Zu den Gelingensbedingungen zählen weiter die Standortleitenden. Sie sind ein wichtiger Faktor, um Lehrpersonen zu gewinnen und um die situationsspezifische Umsetzung zu gestalten. Hierzu ist auch die individuelle Begleitung durch das Projektteam wichtig.
Der Projektversuch möchte mit Bewegungsaktivitäten abseits der sportbezogenen Angebote eine Auseinandersetzung mit dem Begriff Bewegung ermöglichen, der auch alternative und sportferne Deutungen zulässt. Die gartenbezogenen Tätigkeiten auf dem Schulareal sind sehr vielfältig (beispielsweise sehr kraftintensive wie das Einschlagen von Pflöcken oder sehr ruhige und mehr die Feinmotorik betreffende wie das Setzen von Samen) und können entsprechend auch die motorischen Basiskompetenzen fördern. Darüber hinaus erfahren die Kinder hier neue Bewegungen und Aktivitäten, die heutzutage weniger im Alltag der Kinder präsent sind. Die Ergebnisse der Befragung der Teilnehmenden bestätigt die Vermutung, dass ein Teil der Kinder sehr positiv auf diese Art der Bewegungsförderung reagiert und sie ggfs. für sich einen Zugang zu einem zukünftigen, aktiven Bewegungsstil gefunden haben.
Das bewegungsfreundliche Schulareal bietet den Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit verschiedene Funktionen von Bewegung zu erfahren: neben der sozialen Funktion (der gemeinsamen Aktivität) zeigt sich hier auch die explorative sowie die adaptive Funktion, da hier eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Material und Werkzeug gegeben ist (vgl. Zimmer 2014). In den Pausen und unterrichtsfreien Zeiten kann das Material sowie das Gelände zudem für Bewegungsbaustellen verwendet werden, dies hat sich in einigen Schulhäusern deutlich als Motivationsfaktor gezeigt.
Der vorliegende Versuch zeigt auf, dass das Schulareal bzw. der Schulgarten einen niederschwelligen Zugang zu Bewegungsaktivitäten bieten kann. Durch die Gestaltung und Nutzung des Schulareals im Unterricht sowie in den Pausenzeiten konnten die Lehrpersonen sowie die Schülerinnen und Schüler zweckdienliche, gartenbezogene Tätigkeiten (wie z.B. schneiden, säen oder schaufeln) kennenlernen, wodurch vielfältige Bewegungsaktivitäten im Lebensalltag gefördert wurden.
Als ein Projektschwerpunkt wurde der Frage nachgegangen, ob und wie Schüler:innen bei der Planung, Gestaltung und Nutzung des Schulgartens partizipativ eingebunden werden können. Die beteiligten Lehrpersonen und Standortleitungen wurden dazu eingeladen und Wege aufgezeigt, die Schüler:innen einzubeziehen.
Es liessen sich an den beteiligten Schulen unterschiedliche Partizipationsstufen feststellen:
Die meisten Schulen bewegten sich im Rahmen des Laborversuchs auf den Stufen 1 und 2 (Information und Meinungen einholen), in einer Schule wurden einige Entscheidungen auch gemeinsam getroffen. Wenn ein Einbezug stattfand, war dieser meist sehr gezielt auf eine bestimmte Frage beschränkt. Aus den Interviews mit den Standortleitenden zeigte sich einerseits, dass gewisse Schulen bewusst entschieden hatten, nicht mehr Partizipation zuzulassen. Aus ihrer Sicht war im Rahmen des Projekts zu wenig Zeit für echte Partizipation vorhanden und die Handlungsspielräume waren gemäss den Standortleitenden teilweise eingeschränkt sowie auch durch das Kostendach begrenzt. Andererseits gab es auch Aussagen, wonach ein grösserer Anteil von Mitbestimmung rückblickend wünschenswert gewesen wäre. Der Einbezug der Schüler:innen solle aber gemäss weiteren Aussagen künftig an allen Schulen mitbedacht werden.
Die Umsetzungen an den verschiedenen Schulen zeigen auf, dass die Partizipationsstufe 3 «gemeinsame Entscheidungen treffen» kaum umgesetzt wurde. Die Schulhausareale hin zu einem Lern- und Bewegungsort im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung zu entwickeln ist umfangreich und anspruchsvoll, die hat der Laborversuch gezeigt. Es stellt sich deshalb die Frage, ob es sinnvoll ist, im Aufbauzeitraum Partizipationserfahrungen im Sinne von «gemeinsame Entscheidungen treffen» zu ermöglichen. Falls dieses Ziel gesetzt wird, müssen Partizipationsprozesse gut geplant werden, Wissen und Fähigkeiten aufgebaut werden, um mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Eine gezielte Unterstützung der Schulen in diesem Bereich ist erforderlich. In Folgeprojekten soll der Aspekt der Ermöglichung von Partizipationserfahrungen weiter untersucht werden.
Die gesetzten Ziele waren ambitioniert und die Inhalte umfangreich. Es ist in den Schulen viel entstanden und grundsätzlich waren alle Beteiligten mit der Umsetzung zufrieden. Das vorhandene Potential wurde teils nicht ganz ausgeschöpft, jedoch wurde mit dem Bildungskonzept eine solide Grundlage erarbeitet, mit welcher die Schulen längerfristig die Schulgarten-Umsetzung etablieren und optimieren können – vor allem wenn die Lehrpersonen „Schulgarten erfahrener» werden. Das Bildungs- und Umsetzungskonzept als zentrales Projektelement hat aus Sicht der Projektleitung die gewünschte Wirkung entfaltet – die Mehrheit der Lehrpersonen in den Schulteams haben partizipiert und sich mit diesem identifiziert. Durch die partizipative Einbindung von Personen und Akteuren aus der Gemeinde (Verwaltung, Bevölkerung) wird der Schulgarten breit getragen und unterstützt.
Das Projekt hat gezeigt und bestätigt, dass die naturnahe Umgestaltung und Nutzung der Schulareale ein Bedürfnis bei den Schulteams und Personen in der Gemeinde sind und eine Mitwirkung unter besonderer Berücksichtigung von Bewegungs- und Partizipationsaspekten auf Interesse stösst.
Projektleiter
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